POETIK DER ENTSCHEIDUNG II – Über „Das bessere Leben“ von Ulrich Peltzer und die Künstlichkeit von Mensch und Welt

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Sylvester Lee Fleming, irgendwas mit Banken und Krediten, und Jochen Brockmann, irgendwas mit Salesmanager. Sie begegnen sich erst sehr spät in diesem ausufernden Roman, ich hatte es auch nicht mehr erwartet. Vor allem habe ich es erst gar nicht verstanden, dass es Flemming ist, den Brockmann da trifft, weil ich vollkommen den Überblick verloren habe. Weiterlesen

Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar – „Zeitfrauen“ von Clemens Setz und „Die „Rosenbaum-Doktrin“ von Wolfgang Herrndorf

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Vor einigen Wochen begann ein Beitrag von uns mit den Worten: „Gut, dass ich in einer Bibliothek lese. Oder mit W-Lan.“ Ich denke, jeder war schon in einer Situation, in der er/sie – kaum hatte er/sie etwas in der Glotze gesehen oder irgendwo gelesen – auf das Internet zurückgreift, um entweder die Fakten zu verifizieren oder mehr Informationen zum Thema zu suchen. Als vor kurzem Joshua Cohens lesenswerte Erzählungen unter dem Namen Vier neue Nachrichten erschienen, berichteten mehrere Feuilletons begeistert darüber, der Autor gebe einen interessanten Blick darauf, wie das Internet unser Leben verändert. Das ist alles erschreckend und amüsant zugleich zu lesen, was Cohen in seinen komplexen Stories durchexerziert. Weiterlesen

Helene Hegemann: „Jage zwei Tiger“ – BIG TIME

Jage zwei Tiger

Eigentlich geht es in Helene Hegemanns zweitem Roman Jage zwei Tiger um die Jugendlichen Cecile und Kai. Beide mehr oder weniger schlagartig gezwungen, erwachsen zu sein, beide Ausreißer/Alleingelassene und beide Opfer des – aber auch Teilnehmer am – Distinktionsspiels namens Lifestyle. Daneben gibt es aber auch noch eine Ich-Erzählerin, die sich auf merkwürdige Weise rar macht. Warum eigentlich? Weiterlesen

Félix Francisco Casanova: „Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich)“ – Aber für immer

Casanova

 
Der junge Dichter Bernardo Vorace ist verzweifelt. Als Unsterblicher ahnt er, was ihm für die endlose Dauer seines Lebens bevorstehen wird: Wiederholung und Langeweile. Nur, was aus dem Dahinplätschern der ordinären Alltäglichkeit herausstechen kann, will ihm als bedeutend und erstrebenswert erscheinen. Das Leben eines Unsterblichen hat jedoch weder übergeordnetes Ziel noch Höhepunkte, vielmehr steht es der sich immer wiederholenden Gleichförmigkeit gegenüber, welche das Auf- und Abtreten der Figuren im Welttheater der Endlichkeit mit sich bringt. Vorace ist Sisyphos. Weiterlesen

Ungebeten. Roman Ehrlichs „Urwaldgäste“

 

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Der Gast ist ein zwiespältiges Wesen: Er ist willkommen und er ist fremd, er folgt einer Einladung und ist doch nur auf Zeit erwünscht, dann will man ihn in aller Regel wieder loswerden. Er ist ein Eindringling, der von außen kommt – seine Sichtweise auf den Ort, an dem er zu Gast ist, ist daher eine andere, neue, für diejenigen, die immer an diesem Ort leben, auf jeden Fall eine besondere. Insofern eine beliebte und oft verwendete Konstellation in Literatur oder Film. Weiterlesen

Randnotizen: Fjodor Dostojewskis „Der Großinquisitor“ – Alles ist erlaubt, Hörman.

Unter der Rubrik Randnotizen, nehmen wir Anmerkungen, die wir in antiquarischen Büchern gefunden haben, zum Ausgangspunkt der Rezension. Diesmal:

Randnotizen Dostojewski

Zuerst hab ich mich kaputt gelacht, die Randnotiz ist eine Steilvorlage. Man hätte es sich einfach machen können und ein Abstauberkommentar schreiben. Aber je länger ich daran geschrieben und mich dabei über Hörman amüsiert habe, desto klarer wurde auch, so einfach ist das gar nicht. Wie über Hörman lachen, ohne über den Text zu lachen? Oder ist es nicht sogar notwendig, Hörman ernst zu nehmen? Aber, eins nach dem anderen. Weiterlesen

Poetik der Entscheidung – „Leben“ von Karl Ove Knausgård

 Im vierten Teil seiner auf sechs Bände angelegten Autobiographie nimmt sich Knausgård seine eigene Jugend zur Brust

 

Sucht man den kleinsten gemeinsamen Nenner der Knausgård-Lektüre-Beschreibungen, so ist es bei denen, die es scheiße finden, die Langeweile, bei denen, die es geil finden, die Sucht. Zadie Smith spricht von einem Buch, das wie Crack sei, und Ijoma Mangold versuchte vergeblich in der ZEIT herauszufinden, warum die Droge Knausgård ihn nicht loslassen wolle. Doch wie jeder, der Drogen genommen hat, weiß, kann man den Rausch nur unzulänglich beschreiben, die Adjektive werden schal, denn es ist ja gerade das unbeschreibliche, was den Rausch ausmacht. Und trotzdem kann sich die Kritik nicht davor verstecken, sondern muss, vielleicht gerade dann, die Analyse wagen, und die Frage stellen: Was ist an diesem Buch eigentlich literarisch? Weiterlesen

Das Präteritum schlägt zurück – Nic Pizzolattos „Galveston“

Roy Cady – Protagonist in Nic Pizzolattos Debüt-Roman Galveston – wartet am Ende auf den bevorstehenden Hurricane, der wie ein großer Radiergummi über das Land gehen und eine leere Tafel hinterlassen wird.
Dass er da so sitzen kann, mit sich selbst im Reinen, ist das Ergebnis einer Erkenntnis, nämlich der Erkenntnis, dass die Suche nach dem eigenen Selbst die Vergangenheit nicht aussparen kann. Weiterlesen